Ai Weiwei – der deutsche Beitrag im französischen Pavillon Venedig 2013

Ai Weiwei, Bang, Installationsansicht deutscher Beitrag im französischen Pavillon Venedig 2013, courtesy of the artist and Gallery neugerriemschneider, Berlin. Foto: © Roman Mensing in Zusammenarbeit mit Thorsten Arendt, artdoc.de.

“Nach seiner Rückkehr aus den USA (wo er sich von 1981 bis 1993 aufgehalten hatte) nach Peking begann Ai Weiwei, sich mit den künstlerischen und kulturellen Traditionen seines Landes zu befassen – eine Beschäftigung, die bis dahin seit der Kulturrevolution unmöglich gewesen war. Er fing an, Antiquitäten zu studieren, zu sammeln und schließlich in seine in der Zwischenzeit stark konzeptionell gewordene Arbeit zu integrieren. Dabei reflektierte Ai Weiwei nicht nur die Mechanismen des internationalen Kunst- und Antiquitätenmarkts und den damit verbundenen Ausverkauf kultureller Werte und historischen Wissens, sondern auch den Zusammenprall alter und neuer Wertvor-stellungen in der sich rasant modernisierenden chinesischen Gesellschaft. Für seine Installation für den deutschen Auftritt im Französischen Pavillon hat Ai Weiwei in allen Teilen Chinas 886 dreibeinige Holzhocker zusammengetragen. Der dreibeinige Hocker ist heute in China eine Antiquität. Nach einer einheitlichen Methode gefertigt, wurde er über Jahrhunderte aus allen Teilen Chinas und in allen Bereichen der Gesellschaft verwendet. Jede Familie hatte mindestens einen Hocker, der für alle  möglichen häuslichen Zwecke benutzt und über Generationen vererbt wurde. Doch seit der Kulturrevolution ab 1966 und im Zuge der Modernisierung des Landes wurde er immer seltener hergestellt. Aluminium und Plastik haben Holz als Herstellungsmaterial ersetzt. Aus 886 Exemplaren dieses stereotypen und zugleich hochindividuellen Hockers hat Ai Weiwei mithilfe der inzwischen rar gewordenen Fertigkeiten traditioneller Handwerker eine rhizomatisch raumgreifende Struktur geschaffen, die in ihrem wilden Wachstum an die wuchernden Organismen der Megacitiys dieser Welt erinnert. Der einzelne Hocker als Teil einer umfassenden skulpturalen Struktur kann als Metapher für das Individuum und sein Verhältnis zu einem übergeordneten, überbordenden System in einer sich explosionsartig entwickelnden postmodernen Welt gelesen werden. In dieser Ausstellung steht er außerdem exemplarisch für die Inhalte der Werke von Romuald Karmakar, Santu Mofokeng und Dayanita Singh, die auf jeweils spezifische Weise unterschiedliche Sichtweisen darauf präsentieren, wie biografische, kulturelle oder politische Identität mit übergreifenden, transnationalen Verhältnissen zusammenhängt.” Susanne Gaensheimer im Vorwort der Begleitpublikation zum deutschen Beitrag auf der Biennale di Venezia 2013.

Ai Weiwei, Bang, Installationsansicht deutscher Beitrag im französischen Pavillon Venedig 2013, courtesy of the artist and Gallery neugerriemschneider, Berlin. Foto: © Roman Mensing in Zusammenarbeit mit Thorsten Arendt, artdoc.de.

 

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